Es ist früh am Morgen. Ich erreiche Martina und Jacky telefonisch in der Nähe von Scuol, kurz bevor sie zu ihrer täglichen Arbeit aufbrechen und für den Rest des Tages keinen Empfang haben werden. Gemeinsam mit drei weiteren Kolleginnen und Kollegen der «Trailuniun» kümmern sie sich um die Pflege der Bike- und Wanderwege rund um Scuol.
Obwohl ich die beiden noch nicht persönlich kenne, entwickelt sich unser 20-minütiges Gespräch schnell zu einem inspirierenden Austausch über road maintenance, coexistence und der Begeisterung für ihren Beruf. Ihre Leidenschaft weckt in mir den Wunsch, selbst wieder einmal rauszugehen und auf den Trails zu arbeiten.

Martina und Jacky beginnen ihren Arbeitstag dort, wo andere Menschen Ferien machen. Jacky, ursprünglich aus Bayern und seit über zwanzig Jahren begeisterter Biker und Wegmacher in der Region, arbeitet heute in der Val Sinestra. Er legt mit einem Bagger einen neuen Weg Richtung Vnà an – speziell ausgelegt, so dass nicht nur Wandernde den Wegnutzen können, sondern auch E-Biker bergauf und Gravelbiker bergab. „Sechshundert Meter Neuanlage durch steiles, verwachsenes Gelände wären von Hand unmöglich. Mit der Maschine schaffen wir das in vertretbarer Zeit“, erzählt Jacky.
Martina hingegen macht sich heute auf nach Champatsch und kümmert sich um bestehende Wege. „Wir kontrollieren Wasserschläge, beseitigen grössere Steine und sorgen dafür, dass der Weg gut sichtbar bleibt“, erklärt sie. Martina, ursprünglich Landschaftsgärtnerin aus Biel, schätzt die Vielseitigkeit ihres Berufs, besonders den direkten Kontakt mit Natur und Menschen. „Die Dankbarkeit der Wanderer und Biker macht die körperliche Anstrengung immer wieder wett.“ Nach 2 Jahren in Südamerika stiess Martina erst diese Saison zum Team der Trailuniun.
Jacky und Martina eint die Leidenschaft für ihren Beruf und die Liebe zur Natur. Und das spüre ich bei jeder ihrer Aussagen. Begleitet werden sie von ihren beiden treuen Trail-Hunden, die stets aufmerksam an ihrer Seite sind.


Jacky beschreibt seine Arbeit auf den Trails als grosse Verantwortung, da Unfälle durch Pedale oder Wurzeln nie auszuschliessen sind. Doch gleichzeitig geniesst er die Freiheit und Selbstbestimmung: „Jedes Mal, wenn ich einen neu gepflegten Abschnitt sehe, freue ich mich wie ein kleines Kind.“
Die Herausforderungen ihres Jobs nehmen beide mit Humor und Pragmatismus. „Die Natur arbeitet ständig gegen uns. Erosion, Wetterwechsel, überraschende Schäden – man weiss nie genau, was einen erwartet“, beschreibt Jacky. Martina ergänzt: „Die Entscheidung, welche Arbeiten Priorität haben, ist oft anspruchsvoll. Doch genau diese Abwechslung macht den Job so spannend.“
Ein besonderes Ärgernis sind für Jacky Abkürzungen, die Wandernde nehmen, wodurch Wege stark beschädigt werden. „Wir bauen bewusst kurvenreich, um Erosion zu vermeiden. Wenn Leute abkürzen, zerstören sie die Vegetation und fördern Schäden, die wir mühsam beheben müssen.“
Für mich ist das eine spannende Erkenntnis. In meiner täglichen Arbeit zur Förderung der Koexistenz höre ich oft dieselben Klagen – allerdings meist über Bikerinnen und Biker. Ich glaube, am Ende gehen alle Menschen dort, wo es gerade am besten geht: Auf dem Trail, aber auch im Stadtpark. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Kind beim Wandern meine Eltern auf genau diesen «Piratenwägli» überholen konnte.
Am Ende überwiegen auch bei Martina und Jacky die positiven Erlebnisse bei Weitem – vor allem die Freude und Dankbarkeit der Wegnutzenden.

Beiden liegt es besonders am Herzen, junge Menschen für ihren Beruf zu begeistern. „Es ist wunderbar, vielseitig und erfüllend“, sagt Martina. Jacky ergänzt lachend: „Wer das werden möchte, soll früh anfangen zu graben. Es lohnt sich.“
Von Politik und Tourismus wünschen sie sich vor allem Offenheit und Verständnis für die Bedeutung der Wege. „Die Trails sind das Rückgrat des Sommertourismus. Wir brauchen mehr Unterstützung und Offenheit, um sie zukunftsfähig auszubauen“, meint Jacky, „sonst laufen wir irgendwann ins Nadelöhr.“
Bei Martina merkt man hingegen, wie die zwei Jahre in Südamerika sie geprägt haben: „Im internationalen Vergleich haben wir hier grosses Glück mit unseren Wegen und der Unterstützung, die wir erhalten.»
Am Ende des Tages bleibt beiden das Gefühl tiefer Zufriedenheit – Wege zu schaffen und zu pflegen, die Menschen verbinden und glücklich machen. Ein Knochenjob, der zugleich erfüllt und inspiriert. Und ich werde die beiden irgendwann bestimmt besuchen und einen Tag mit ihnen draussen verbringen. Das verspreche ich mir, während ich gedankenverloren an diesen Tag in meinem Büro am Cappuccino schlürfe, dem Regen draussen lausche und in die Tasten haue.
Mehr über die Beiden findet ihr hier im dazugehörigen Interview!
Und über das Projekt Wegmacher selbst?
Unser Projektleiter Kevin Suhr kann euch hier alle Fragen beantworten – also meldet euch gerne bei ihm!