Wir schreiben das Jahr 1999
Damals hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass ausgerechnet ein Luxushotel einen Umbau extra für Bikegäste vornehmen wird. Damals galt schon nur die Idee, Mountainbiker als Zielgruppe für ein Hotel im abgeschiedenen Münstertal zu gewinnen, als eher exotisch. Darcos Mutter hatte aber schon immer den Traum vom eigenen Hotel. Und wenn sich Chancen ergeben, soll man sie ja bekanntlich greifen: Ein Berghotel kann übernommen werden, wenn auch die Ausgangslage und Betriebsgeschichte vielleicht nicht ganz optimal ist. Viele Besitzerwechsel, wiederholte Schliessungen, die Immobilie war nicht gerade baufällig aber etwas heruntergekommen mit rostigem Dach und so – ausbleibende Kundschaft. Mama Cazin hatte sich also eine interessante Herausforderung ausgesucht. «Wer will im abgelegenen Münstertal Ferien machen?»
Die Antwort war schnell gefunden: Mountainbiker!
So reiste man dann gen Italien zum Mountainbike-Festival in Riva del Garda um die potentielle Zielgruppe erleben und kennen zu lernen. Was Familie Cazin antraf, versetzte sie in Staunen: Was für ein Markt – und diese Produkte erst! Damals existierten bereits Fullys. Allmählich bauten sie das «Bikehotel Stelvio» in Santa Maria aus mit Bikestation, Bikecamps, Tourenangeboten, Shuttledienst und allem was das Mountainbikerherz damals begehrte. Innerhalb weniger Jahre war das Haus voll von Mountainbikern. Darco geht in seiner Erzählung sogar so weit zu vermuten, dass man sich als Nicht-Biker etwas deplatziert gefühlt haben könnte.
ALLEGRAS erster offizieller Auftrag bestand unter anderem darin, in Livigno eine Kooperation von Bikehotels aufzubauen. Darco klapperte sämtliche Betriebe ab. Das Resultat war ernüchternd: Von rund 100 Hotels konnte er mit 10 starten. Acht sagten mit einem «ja, mal schauen» zumindest nicht ab. Lediglich zwei waren mit Herz und Seele von Beginn an dabei. Das waren Fabio Giacomelli von den «Lungolivigno Hotels» und Alessandro Longa vom «Hotel Astoria». Heute wissen wir, dass diese beiden Betriebe bei den Mountainbikern auch am schnellsten Erfolg hatten. Die anderen brauchten etwas länger. Die neu entstandene Hotelgruppierung mit Betrieben aus Livigno und dann später auch aus dem Engadin, dem Puschlav und dem Oberen Veltlin trat vereint unter dem Markennamen «Alta Rezia» auf.
Wenn Hoteliers selbst zu Mountainbikern werden.
Eine neue Ära brach an, als Hoteliers selbst zu Mountainbikern wurden – oder Mountainbiker zu Hoteliers. Sie belebten das Hotel mit ihrer Faszination und Freude für den Sport und gestalteten so die Bühne der Mountainbikekultur mit. Als Biker fällt es einem einfach die Wünsche seinesgleichen zu erkennen und zu erfüllen. Folglich kommunizierten die Hotels plötzlich authentischer mit dem Markt und das Hotelangebot passte sich diesem an. Dann ging es sogar noch einen Schritt weiter: Die Hotels bauten das Angebot ausserhalb ihrer Kerndienstleistungen von Kost und Logis aus. Im «Massa Vecchia» von Ernesto Hutmacher haben Gäste zum Beispiel die Möglichkeit einen GPS-Sender auf ihre Mountainbiketour mitzunehmen um sich auch ohne Guide in der Toskana sicher fühlen zu können. Bewegt sich der Biker für längere Zeit nicht, so erhält Ernesto eine Nachricht auf sein Mobil-Telefon und kann auf der GPS-Karte überprüfen, ob der GPS-Punkt allenfalls über einem Café liegt – der Gast sich also eine Pause gönnt. Stellt er aber fest, dass sich der GPS-Punkt abseits der Zivilisation nicht mehr regt, so kann er den Gast anrufen und allenfalls notwendige Hilfe aufbieten.
Doch wie definiert sich ein Bikehotel?
Diese Frage wurde von den Hoteliers in den letzten 15 Jahren unterschiedlich beantwortet; zu den Anfangszeiten mit einem Kleber an der Eingangstüre «Bikefreundlich». Das Angebot wurde jedoch nicht merklich verändert. Als man sich dessen bewusst wurde, erarbeitete man Kriterien zum Service und zur Struktur und erfüllte diese entsprechend; zum Beispiel mit einer abschliessbaren Garage und einem Waschplatz für das Mountainbike. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass sich der Kriterienkatalog mit der Mountainbike-Entwicklung laufend verändert hat. Auch weil die Bedürfnisse der Nutzergruppe sich ändern: Ein Stromanschluss für das e-Bike ist heutzutage beispielsweise unverzichtbar. Mehr dazu aber weiter unten im Beitrag.
Wir haben einen spannenden Artikel entdeckt
Auf der Juni Ausgabe 2024 der «infoHotel» (Das Informationsblatt des Walliser Hotelier-Vereins») drohnt der Header: „Es läuft für die Bike- Hotels“, vor allem im Hinblick auf die Mountainbike-WM 2025 im Wallis. Und glaubt man dem Artikel, so können die Hoteliers nur gewinnen dank dem Bike-Label. Vielleicht ein bisschen plakativ, aber lasst uns genauer hinschauen. Die Organisatoren der Mountainbike-Weltmeisterschaften ermutigen derzeit alle Hotels, ein Bike-Zertifikat zu erlangen, um alle Radbegeisterten bei dem Grossevent bestmöglich zu empfangen und vorbereitet zu sein. 1.500 Athletinnen und Athleten und rund 200.000 Besucher aus aller Welt brauchen schliesslichen auch ein Bett. Das Angebot im Kanton Wallis wächst zwar, ist aber immer noch ungenügend. Dabei ist es ganz unkompliziert eines der zwei Bike-Labels zu erlangen – und die Vorteile riesig. Das kostenpflichtige Label „Swiss Bike Hotel“ von Schweiz Tourismus oder das kostenfreie Spezialisierung „Biking“ von HotellerieSuisse stehen zur Auswahl. Beide Verfahren basieren auf denselben 13 Kriterien, wovon die meisten davon sowieso bereits erfüllt werden oder recht einfach umzusetzen sind.
Was gilt heute, 2025, als Standard in der Schweiz, wenn die Bedürfnisse der heutigen Bikehotelgäste im Zentrum stehen?
WIE WIRD MAN BIKE-HOTEL 2025?
Grundvoraussetzung
Du bist bereits als „Hotel, Swiss Lodge oder Serviced Apartments“ von HotellerieSuisse klassifiziert.
KRITERIEN
Du erfüllst 13 (Hotel/Swiss Lodge) bzw. 11 Mindestkriterien (Serviced Apartments) und 15 Optional-kriterien aus einer Auswahl an Kriterien.
ANTRAG & AUDIT
Der Antrag erfolgt online mit dem ordentlichen Klassifikationsverfahren und ist die Vorbereitung zum eigentlichen Audit vor Ort.
MINDESTKRITERIEN
INFORMATIONEN
- 1. Kooperationen und Partnerschaften (Im Bereich Touren, Reparaturen und Verleih)
- 2. Gäste-Informationen (zu den Themen Sicherheit, Wetter, Karten und Touren, Verkehrsmittel)
- 3. Sicherstellung der Informationen (vor und während Aufenthalt offline und online)
INFRASTRUKTUR
- 4. Separater und abschliessbarer Bike-Raum
- 5. Zweckmässige Ausstattung des Bike-Raums (mind.20m2, genügend Bike-Ständer, Licht und Stromanschluss für E-Bikes)
- 6. Bike-Reinigungsplatz (Wasserschlauch, Reinigungsset)
- 7. Einfacher Zugang zum Bike-Raum und Reinigungsplatz
- 8. Werkzeugset für Wartung und kleinere Reparaturen
GASTRONOMIE
- 9. Bedürfnisorientierte Essenszeiten
- 10. Reichhaltiges Frühstücksangebot
- 11. Lunch Paket auf Anfrage
SERVICE
- 12. Wäsche und Trocknungs-Service
- 13. Duschen am Abreisetag
OPTIONALE KRITERIEN
- 14. Verkauf von Verbrauchsmaterial (z.B. Schläuche, Kettenöl, …)
- 15. Bike-Shop im Betrieb integriert
- 16. GPS Geräte verfügbar
- 17. Virtuelle Routenkarte auf eigener Website
- 18. Geführte Touren vom Betrieb
- 19. Bike- und Gepäckshuttle auf Anfrage
- 20. Bike- und Gepäcktransfer auf Anfrage
- 21. Wellness und Entspannungsangebot (Massagen, Whirlpool, Sauna, Bäder/Kneipp)
- 22. Badeangebot (Pool oder Schwimmteich, innen, aussen)
- 23. Ladestation E-Bike
- 24. Erweiterte Ausstattung des Bike-Raums (Werkbank und/oder ein Montageständer
Fragen? Unsere Experten helfen gerne weiter – wir sind in allen Schritten hin zur Mountainbikedestination für euch da.